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Attac-AG fordert Ablehnung der "EU-Richtlinie zum Schutz Geistigen Eigentums"

Frankfurt am Main / Barsinghausen bei Hannover 16.02.2004

Auf ihrer ersten Klausurtagung am 14. und 15. Februar 2004 beschäftigte sich die im Herbst 2003 gegegründete bundesweite attac AG "Wissensallmende und freier Informationsfluss" mit der EU-Richtlinie über "Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" (COM 2003/46endg), mit der sich das Europaparlament voraussichtlich am 25. Februar 2004 in erster Lesung befassen wird. "Eigentlich sollte das Urheberrecht als ausgleichende Kraft zwischen den Interessen der KünstlerInnen und der Öffentlichkeit wirken. Diese Balance ist inzwischen verloren gegangen. Die Rechte der KonsumentInnen werden durch zahlreiche neue Gesetze und Richtlinien immer stärker eingeschränkt. Die jetzt geplante neue EU-Richtlinie ist ein weiterer Höhepunkt dieser Entwicklung", sagte Oliver Moldenhauer.

Die attac-AG "Wissensallmende und freier Informationsfluss" fordert: Keine Ausdehnung der Richtlinie auf User von P2P-Netzwerken und nichtgewerbliche Verletzungshandlungen!

Ursprünglich war die genannte Richtlinie nur zur Bekämpfung von gewerbsmäßiger Produktpiraterie und Fälschung von Markenartikeln gedacht. Aufgrund des massiven Lobbying der Unterhaltungsindustrie wurde sie jedoch massiv verschärft. Nach der Parlamentsfassung soll der ganze und abschreckende Katalog an Strafen und Schadensersatzmaßnahmen nun auf jede Verletzung von Rechten am geistigen Eigentum angewendet werden, also auch auf Privatpersonen, die keine gewerbliche Urheberrechtsverletzung oder Produktpiraterie begangen haben.

Angesichts der aktuellen Äußerungen der europäischen Musikindustrie ist zu vermuten, dass die Richtlinie hauptsächlich dazu genutzt werden soll, Privatkopien und das Tauschen von Inhalten über das Internet durch Privatpersonen zu unterbinden. "Hiermit würde ein großer Teil der europäischen Bevölkerung kriminalisiert werden", sagt Oliver Moldenhauer. So kündigten die IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) am 16.12.2003 an, im Jahr 2004 mit Sicherheit auch P2P-User in Europa verklagen zu wollen. Die Richtlinie würde dieses Vorhaben erleichtern. Auch die gegenwärtig in der Bundesrepublik laufende Kampagne der Filmindustrie droht Bürgern mit Gefängnis. Noch ist das Unsinn. Aber wenn diese Richtlinie kommt, wird aus der Übertreibung Realität.

Eine der einschneidendsten Bestimmungen des Richtlinienvorschlags, Artikel 9, schafft ein "Recht auf Auskunft", das Inhabern von geistigem Eigentum umfassende Möglichkeiten gewährt, die Herausgabe von Personendaten europäischer Bürger gerichtlich zu erzwingen, und dies ohne jeden konkreten Verdacht einer Urheberrechtsverletzung. Es ist zu vermuten, dass dieses Recht hauptsächlich dazu genutzt werden wird, um User von P2P-Netzwerken auszuspähen. Diese Bestimmung verletzt nicht nur Datenschutzrechte von Verbrauchern, sie belastet auch auf unzumutbare Weise Universitäten, Internet Service Provider und andere unschuldige vermittelnde Dritte, die eine große Zahl von Auskunftsanordnungen befolgen und ihre Kunden der juristischen Verfolgung ausliefern müssten. Welche verheerenden Folgen eine solche Regelung hat, zeigt sich gegenwärtig in den USA und Kanada, wo die RIAA bzw. CRIA aufgrund solcher Auskunftsersuchen tausende von P2P-Usern verklagt hat.

Zivilrechtlich drohen durch die Regelungen der Artikel 17 und 18 unabsehbare Schadenersatzsummen und daraus folgend hohe Rechtskosten, da die Richtlinie die unrealistischen Schadensberechnungen der Verwertungsindustrie übernimmt. Jede Digitalkopie zählt als entgangener Verkauf des Werkes. So manche Eltern werden sich nach den ersten Internetversuchen ihrer Kleinen fragen müssen, womit die einen mehrere tausend Euro großen Schaden angerichtet haben sollen.

Auch die geplante Errichtung einer Polizei-Datenbank von verdächtigen P2P-Usern und Kennzeichnungspflicht für alle optischen Speichermedien mit einer eindeutigen Identifikationsnummer schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiter ein und beschleunigt den Marsch in den Überwachungsstaat.

Oliver Moldenhauer: "Die vorgesehenen Maßnahmen sind völlig unverhältnismäßig, weil durch sie Privatpersonen mit gewerblichen Raubkopierern gleichgestellt werden und sie genauso wie diese zu mehrjährigen Haftstrafen und Schadensersatz in Millionenhöhe verurteilt werden sollen. Es kann zudem nicht die Aufgabe des europäischen Parlaments sein, das durch die technische Entwicklung obsolet gewordene Geschäftsmodell der Musikindustrie künstlich am Leben zu erhalten und ihr auf Kosten der Menschenrechte und des technischen Fortschritts hohe Gewinne zuzuschieben."

Die AG "Wissensallmende und Freier Informationsfluss" ist sich der Notwendigkeit bewusst, dass Künstlerinnen und Künstler auch im digitalen Zeitalter angemessen für ihre Tätigkeit entlohnt werden müssen. Jedoch ist eine immer stärkere Eskalation im "Krieg gegen das Kopieren" der falsche Weg, bei dem letztendlich alle verlieren werden. Anstatt immer schärfere Gesetze zu verabschieden, mit denen immer größere Bevölkerungsteile kriminalisiert werden, sollte über alternative Möglichkeiten diskutiert werden, wie KünstlerInnen entlohnt werden können, ohne die Bürgerrechte übermäßig einzuschränken und den technischen Fortschritt abzuwürgen. Eine Möglichkeit bestünde darin, das in der Bundesrepublik bestehende System von Pauschalabgaben auszuweiten und dafür im Gegenzug Privatkopien und das Tauschen von Inhalten über das Internet zu gestatten. Mit dem zusätzlich eingenommenen Geld könnten die KünstlerInnen für Einkommensausfälle entschädigt werden.

Innerhalb des globalisierungskritischen Netzwerks attac hat sich die Arbeitsgruppe "Wissensallmende und freier Informationsfluss" (www.attac.de/wissensallmende) zusammengefunden, um über den Umgang mit Information und Wissen nachzudenken.

Ansprechpartner: Robert Leisner, 030 20 45 36 86